Stern: Einen wunderschönen guten Tag und herzlich willkommen, Sie hören von Mittelstand zu Mittelstand den Wissenspodcast der Volksbanken Raiffeisenbanken oder anders gesagt das regelmäßige Update für alle Mittelständler, die durch mehr Wissen mehr erreichen wollen. Mein Name ist Lorette Stern, schön, dass sie eingeschaltet haben. Unser Thema diesmal ist die Digitalisierung. Wir wollen in dieser Podcaststaffel mit Unternehmer_innen, mit Finanzexperten und Spezialisten unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung beleuchten und vor allem auch die Herausforderung, die sich damit unterwegs ergeben. Unsere heutige Episode trägt den Titel "Arbeitsplatzwandel durch Digitalisierung – besser werden, menschlich bleiben." Und mein Gast ist die promovierte Volkswirtin Dr. Katharina Dengler, Sie arbeitet seit 2009 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, herzlich willkommen Frau Dengler. #00:01:06-0#
Dengler: Ja, vielen Dank für die Einladung. (Lacht) #00:01:08-1#
Stern: Ja, sehr gerne. Ich bin gespannt, was Sie uns alles erzählen, denn Sie forschen ja am IAB zu den Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt, [Dengler: genau] welche sind das denn aus wissenschaftlicher Sicht? #00:01:23-2#
Dengler: Wir betrachten vor allem, wie sich Berufe, berufliche Tätigkeiten verändern werden in Deutschland und dazu haben wir berechnet, in welchem Ausmaß eben Berufe, berufliche Tätigkeiten bereits heute durch Computer, durch computergesteuerte Maschinen übernommen werden könnten. Und das Ganze nennt sich Substituierbarkeitspotenziale, [Stern: mhm] die eben dann das Ausmaß der Digitalisierung angeben. #00:01:48-7#
Stern: Auf Ihre Forschung zur Substituierbarkeit möchte ich gleich konkreter eingehen. Erst mal interessiert mich nach Ihrer Einschätzung, sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen sensibilisiert für das, was das vorgeht? Sind die sich dessen bewusst, dass sie was tun müssen? #00:02:05-6#
Dengler: Mhm. Also insgesamt ist es so, dass sich viele Betriebe in Deutschland noch nicht mit der Digitalisierung beschäftigt haben, [Stern: mhm] und das gilt eben insbesondere für kleinere Betriebe im Vergleich zu größeren Betrieben, die eben weniger digitale Technologien nutzen. Das ist vor allem im Produktionsbereich so, im Dienstleistungsbereich ist es oftmals unabhängig von einer Betriebsgröße. [Stern: Mhm] Also das heißt, da ist noch etwas Luft nach oben. #00:02:34-3#
Stern: Kommen wir doch mal eben tatsächlich zu dieser Substituierbarkeit. Sie haben, wenn ich es richtig verstanden habe, ein Tool programmiert am IAB oder eine [Dengler: mhm] eine Methode, dieses Ersetzbarkeitspotenzial konkret mit einem Prozentsatz zu bestimmen? #00:02:49-8#
Dengler: Um die Folgen der Digitalisierung für Berufe in Deutschland zu bestimmen, haben wir eben diese sogenannten Substituierbarkeitspotenziale berechnet, die eben angeben, in welchem Ausmaß Berufe, berufliche Tätigkeiten bereits heute durch Computer, computergesteuerte Maschinen übernommen werden könnten. [Stern: Ja] Und das haben wir für alle bekannten Berufe in Deutschland berechnet, das sind so circa 4000 Berufe. Und wichtig dabei ist aber, dass wir tatsächlich nur die technische Machbarkeit betrachten. [Stern: Mhm] Also ist es technisch möglich, dass diese Tätigkeiten übernommen werden könnten, aber nicht alles, was technisch möglich ist, muss ja dann auch am Ende nicht unbedingt substituiert werden, ersetzt [Stern: ja] werden. Da spielen eben auch noch weitere Faktoren eine Rolle, also zum Beispiel ethische, rechtliche oder auch kostentechnische Faktoren spielen eine Rolle. Also wollen wir zum Beispiel unsere Kinder in die Hände von einem Erziehungsroboter geben, [Stern: oh Gott (lacht)] (lacht) nein, nein, genau. Oder wer haftet eben bei einem Unfall mit einem autonom fahrenden Auto, [Stern: ja] das ist so eine rechtliche Hürde zum Beispiel oder auch kostentechnische Hürden, also eine Investition in eine Maschine muss sich natürlich dann auch lohnen. [Stern: Ja] Und wenn die menschliche Arbeit aber billiger ist oder auch flexibler oder auch von besserer Qualität, dann lohnt sich eben so eine Investition in eine Maschine dann oftmals auch nicht. #00:04:16-7#
Stern: Ist diese Liste mit den 4000 Berufen und den entsprechenden Prozentzahlen, ist die einsehbar auf Ihrer Homepage? #00:04:22-5#
Dengler: Also es gibt keine komplette Liste zu den 4000 Berufen, wir haben das Ganze aggregiert auf Berufsebenen in unseren [Stern: ja] Publikationen, aber was wir gemacht haben, ist, wir haben ein Onlinetool entwickelt, den sogenannten Jobfuturomat, der ist auf der IAB-Homepage [Stern: okay] zu finden. Und der Jobfuturomat enthält tatsächlich für diese 4000 Berufe [Stern: ja] die Substituierbarkeitspotenziale, also man gibt den gewünschten Beruf ein, den eigenen zum Beispiel, und kann dann eben nachgucken, wie ist es um dessen Substituierbarkeitspotenzial bestellt. [Stern: Ja] Man erhält dann auch noch eine Reihe von weiteren Informationen dort, also zur Beschäftigungsentwicklung zu dem Beruf oder wie haben sich die Monatsgehälter entwickelt in diesem Beruf, [Stern: mhm] und, was auch sehr schön ist, man kann auch das eigene Jobprofil dort dann einstellen und kann eben dann beobachten, wie sich die Substituierbarkeit ändert. Je nachdem, welche Tätigkeiten man dann häufig oder weniger häufig ausführt im [Stern: ja] eigenen Joballtag. #00:05:21-4#
Stern: Das werde ich nachher gleich ausprobieren, [Dengler: (lacht) ja] das klingt vor allen Dingen/ Futuromat klingt schon gut. [Dengler: (Lacht)] Bei welchen Berufen ist denn der Prozentsatz besonders hoch? #00:05:29-5#
Dengler: Ja, also es gibt eine Reihe von Berufen, die ein hohes Substituierbarkeitspotenzial haben, also das heißt, 70 Prozent der Tätigkeiten, also mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten in diesen Berufen wären potenziell durch Computer, computergesteuerter Maschinen ersetzbar. [Stern. Ja] Das betrifft so circa 1000 Berufe und darunter sind so circa 400 Berufe, die ein Substituierbarkeitspotenzial von 100 Prozent haben, also das [Stern: okay] heißt, wirklich alle Tätigkeiten in den Berufen wären rein technisch [Stern: (unverständlich) übernehmbar] #00:05:59-3# gesehen sind ersetzbar durch [Stern: ja] Computer, computergesteuerte Maschinen. Das betrifft zum Beispiel den Bäcker, die Steuerfachangestellten oder Buchhalter oder auch die Kassierer. Wichtig dabei ist aber zu wissen, dass es eben wirklich nur theoretisch gesehen [Stern: mhm] rein technisch ist und es eben jetzt nicht bedeutet, dass diese Berufe dann verschwinden werden oder ich [Stern: nicht mehr gebraucht werden] oder nicht mehr gebraucht werden, [Stern: ja] genau, sondern es ist vielmehr so, dass sich eben diese Berufe verändern werden, es werden eben alte Tätigkeiten, die ersetzbar sind, wegfallen, es kommen neue Tätigkeiten hinzu, und durch die Digitalisierung können ja auch ganz neue Berufe zum Beispiel entstehen. Es ist zwar selten, aber es kommt auch zu neuen Berufen, ja. #00:06:45-8#
Stern: Darauf möchte ich gleich sehr gerne noch mal eingehen, aber erst mal zurück zu den Berufen, die es gibt und die eben, wie Sie jetzt sagen, theoretisch zu 100 Prozent substituierbar wären, aber es ja eben nicht sein müssen. Was macht denn sagen wir mal ein, nehmen wir einen Bäckermeister, einen kleinen Unternehmer mit einem kleinen Betrieb, ist der gezwungen, jetzt Automaten/ Brötchen backende Automaten anzuschaffen, oder wie kann der sich denn wappnen in Zeiten der Digitalisierung? #00:07:16-5#
Dengler: Mhm. Also gerade das Beispiel des Bäckers ist sehr gut, weil hier spielen auch Präferenzen der Kunden eine sehr große Rolle, also zum Beispiel, wenn Kunden ein handgebackenes Brot mehr wertschätzen als ein industriell gefertigtes Brot aus der [Stern: ja] Backstube, [Stern: ja] so wird es auch weiterhin Bäcker geben oder Bäckereien geben, die eben dann weiterhin traditionell arbeiten. Und in Zukunft könnten aber auch da fachübergreifende Kompetenzen zum Beispiel wichtiger werden, denn beispielsweise ist es nicht nur wichtig, dass man weiß, wie man eine bestimmte oder konkrete Maschinen dann bedient, also zum Beispiel in der Bäckerei, sondern eben auch weiß, wie man mit welchen Methoden ein bestimmtes Arbeitsergebnis dann auch erzielen kann. Und nur so kann es dann auch gewährleistet werden, dass eben das Wissen über traditionelle Herstellungsmethoden und die Fähigkeit, diese dann auch anzuwenden, nicht verloren gehen. Und das könnte eben wirklich ein, ja, eine der wichtigsten Bausteine sein für die [Stern: mhm] kreative Bewältigung zukünftiger Probleme, dass man eben dieses Erfahrungswissen über traditionelle Herstellungsweisen dann auch mit digitalen Kompetenzen verzahnt. Und so bleibt eben auch der Mitarbeiter mit seinen Erfahrungen und Kompetenzen weiterhin ein wesentlicher Erfolgsfaktor für, ja, alle Unternehmen in der Zukunft. #00:08:39-7#
Stern: Wie sehen denn Berufe aus, die von der Digitalisierung unbeeinflusst bleiben? Gibt es die auch? #00:08:44-7#
Dengler: Ja, es gibt eine Reihe von Berufen, wo wir ein Substituierbarkeitspotenzial von null Prozent feststellen, also das heißt, [Stern: ja] wirklich keine Tätigkeiten in diesen Berufen sind heute durch Computer, durch computergesteuerte Maschinen dann ersetzbar. [Stern: Mhm] Das trifft zum Beispiel auf Erzieher zu, auf Ärzte, [Stern: beruhigend] auf Krankenschwestern, Friseure oder auf Busfahrer auch, [Stern, ja] aber auch in diesen Berufen ist es eben möglich, dass auch wenn jetzt heute es keine Tätigkeiten ersetzbar sind, dass eben dann in Zukunft Tätigkeiten zu einer ersetzbaren Tätigkeit werden. Also zum Beispiel der Busfahrer, Stichwort autonomes Fahren. #00:09:24-1#
Stern: Das heißt, das gilt auch als Unternehmerin, als Unternehmer, zu sehen, was kann ich sozusagen hausintern auch meinen Mitarbeitern anbieten oder wohin kann ich meine Mitarbeiter in der Weiterentwicklung begleiten? Da muss man ja dann auch sehr, sehr offen dafür sein oder sehr aufmerksam, denke ich. #00:09:42-0#
Dengler: Ja, also insgesamt ist es ja so, dass die Digitalisierung ja eher Chancen bietet und auch erhebliche Produktivitätspotenziale bietet, die es eben zu nutzen gilt. Und wenn eben Unternehmen in digitale Technologien investieren, ist es eben eventuell möglich, dass sich da dann auch Tätigkeiten an bestimmten Arbeitsplätzen verändern, das heißt, die Unternehmen müssen die Mitarbeiter dann auch mitnehmen. Und hier gilt es eben, dass es ja wichtig ist, das Wissen und Können der Mitarbeiter wirklich auf den technologisch aktuellsten Stand zu halten. Das sehen wir so als die größte Herausforderung bei der Digitalisierung, weil es ist nämlich so, dass das Wissen einfach immer schneller veraltet und deswegen eine Erstausbildung immer seltener ausreicht, um wirklich den Anforderungen eines gesamten Erwerbslebens dann gewachsen zu sein, das heißt, Lernen im Erwerbsleben muss wirklich zur Normalität werden. Und dabei spielen eben auch Weiterbildungen, Höherqualifizierungen oder Umschulungen dann eine wichtige Rolle. Und man würde jetzt auch auf den ersten Blick vermuten, na ja, man muss eben die digitalen Inhalte dann vor allem fokussieren, das ist natürlich einerseits richtig, aber andererseits verändert die Digitalisierung auch zum Beispiel die Art und Weise, wie gearbeitet wird. Also zum Beispiel wird ja vermehrt dann in virtuellen Teams zusammengearbeitet, das heißt, hier werden dann auch vor allem soziale Kompetenzen gefragt sein, also wie Empathie, Kooperationsbereitschaft oder Teamfähigkeit dann. #00:11:13-7#
Stern: Das heißt, dass man auch, selbst wenn man jetzt auf virtueller Ebene zusammenarbeitet und jeder in seinem Homeoffice sitzt, dass man aber trotzdem diese menschliche Komponente noch/ #00:11:22-5#
Dengler: Genau, wo man dann eben vermehrt über digitale Technologien kommunizieren muss und da eben diese soziale Komponente vielleicht auch stärker braucht dann. #00:11:31-4#
Stern: Ja. Wenn Sie jetzt, zum Thema soziale (lacht) Komponente, wenn Sie jetzt [Dengler: (lacht)] sagen wir mal abends nach Feierabend einem vielleicht traurig dreinblickenden kleinen oder mittelständischen Unternehmer begegnen würden in Ihrer Lieblingskneipe und dem einen guten Rat geben wollten, ihm vielleicht eine Hand auf die Schulter legen und sagen, "hören Sie mal zu,"gibt es irgendetwas, was Sie grundsätzlich als Empfehlung formulieren können für den Mittelstand, was die Digitalisierung angeht? #00:12:00-0#
Dengler: Ja, also im Prinzip würde ich sagen, dass man sich keine Sorgen machen muss, weil was wir eben herausfinden, ist, dass Befürchtungen wirklich von einem massiven Beschäftigungsverlust oder von einem Beschäftigungsabbau derzeit absolut unbegründet sind, [Stern: okay] Digitalisierung bietet vielmehr erhebliche Chancen, erhebliche Produktivitätspotenziale, die es eben zu nutzen gilt. Weil zum Beispiel durch Produktivitätssteigerungen und Innovationen können eben Preise sinken, die Nachfrage steigt und am Ende des Tages wächst die Beschäftigung und wird eben nicht abgebaut. Ein schönes Beispiel ist aus der Autoindustrie, hier wurde das Fließband eingeführt und das hat natürlich zuerst mal dazu geführt, dass Arbeitsplätze wegfallen, aber es war jetzt möglich, mit dem Fließband auch mehr Autos mit weniger Input zu produzieren, was dazu geführt hat, dass die Autos einfach billiger wurden, es konnten sich viel mehr Leute Autos leisten, die Nachfrage ist gestiegen und es hat am Ende des Tages dann auch zu mehr Beschäftigung dort geführt. Also was ich damit sagen möchte, ist eben, dass man eben keine Angst haben muss vor Beschäftigungsverlusten durch die Digitalisierung. Das ist auch nicht das, was wir derzeit beobachten können, es wird vielmehr dazu kommen, dass eben sich berufliche Tätigkeiten, Berufe verändern werden, und dass man eben sehr viel ja dann auf Weiterbildung und Bildung setzen muss, um dort das Wissen und Können auf den technologisch aktuellen Stand zu halten. Also die Herausforderung ist weniger der Arbeitsplatzabbau, sondern vielmehr eben diese Berufs- und Branchenveränderungen dann. #00:13:35-1#
Stern: Ja, das klingt doch eigentlich alles ganz beruhigend. Glauben Sie denn, dass es in der Zukunft, dass es künftig insgesamt mehr Arbeitsplätze geben kann, ist das möglich? #00:13:45-5#
Dengler: Also ich würde sagen, dass uns die Arbeit auf jeden Fall nicht ausgeht. (Lacht) #00:13:50-7#
Stern: Davon ist auszugehen. (Lacht) #00:13:52-7#
Dengler: Und wie ich eben gerade schon gesagt hatte, ist es eben so, dass die Herausforderungen weniger in den Arbeitsplatzverlusten bestehen bei der Digitalisierung, sondern vielmehr die großen Umwälzungen in den Berufen und in den Branchen zu sehen sind. #00:14:10-6#
Stern: Das sind doch Mut machende Ansichten für kleine und mittelständische Unternehmen. Wenn wir es jetzt noch mal zusammenfassen wollen, man kann eigentlich wirklich sagen, es sollte niemand, es sollte kein Unternehmer, keine Unternehmerin Angst vor der Digitalisierung haben, es gilt eben, genau hinzuschauen und zu entscheiden, was ist gut und sinnvoll für mich und meine Mitarbeiter, und die soziale Verantwortung lässt sich sehr wohl verbinden mit wirtschaftlich rentabler Weiterentwicklung, man muss sich eben nur kümmern. Würden Sie das unterschreiben? #00:14:42-8#
Dengler: Ja, also ich würde da zustimmen. Man muss eben gucken, dass man die Mitarbeiter dann durch Weiterbildung, durch lebenslanges Lernen am Ball hält und dass man eben versucht, ja, sie mitzunehmen auf die veränderten Arbeitsplatzanforderungen dann eben gezielt auch vorzubereiten. #00:15:03-7#
Stern: Ich danke Ihnen für das Gespräch Frau Dr. Dengler. Ich glaube, wir sind jetzt mit diesem Podcast hervorragend vorbereitet (lacht) auf die Zukunft. Das war die Folge "Arbeitsplatzwandel durch Digitalisierung – besser werden, menschlich bleiben." Und mir scheint es, als sei das wirklich möglich. Ihnen auch danke fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge, auf Wiederhören. #00:15:24-1#